Im Auftrag der ProWein – der weltweit wichtigsten und größten Fachmesse für die Wein- und Spirituosenindustrie – hat die Hochschule Geisenheim Ende 2020 zum vierten Mal Experten der gesamten Wertschöpfungskette der Weinbranche aus 49 Ländern befragt. Aus Anlass der globalen Pandemie stand die diesjährige Befragung ganz im Zeichen der Auswirkungen von Covid-19 auf die globale Weinbranche.
Laut Prof. Simone Loose, Leiterin des Institutes für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim, ist der aktuelle ProWein Business Report die weltweit erste Untersuchung, die die globalen Auswirkungen von Covid-19 auf die verschiedenen Bereiche des Weinsektors quantifiziert und die Erwartungen für die notwendige zukünftige Ausrichtung der Weinbranche misst.
DIE WICHTIGSTEN FAKTEN
Große Herausforderungen
Die Auswirkungen der Covid-19-Krise und der erwartete negative Einfluss auf die globale ökonomische Lage sind in diesem Jahr die mit Abstand wichtigsten Herausforderungen der Weinbranche. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Bedrohung durch den Klimawandel und die Gesundheitspolitik durch die akute Bedrohung der Pandemie etwas in den Hintergrund getreten, werden aber nach wie vor als wichtig angesehen.
Auswirkungen auf Wertschöpfungskette
Durch die globalen Beschränkungen hat die Covid-19-Krise zu einer abrupten Veränderung im Einkaufsverhalten der Konsumenten geführt. In vielen Ländern kam es zu umfangreichen Schließungen und Beschränkungen der Gastronomie und Hotellerie. Auch der internationale Tourismus, der für den Absatz in Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien von immenser Bedeutung ist, kam weitestgehend zum Erliegen. Im Gegenzug waren die Verbraucher stärker als vorher darauf angewiesen, ihren Wein im Lebensmitteleinzelhandel oder online einzukaufen.
Auswirkungen auf Erträge
Die Beschränkungen durch Covid-19 haben vor allem Restaurants und Hotels getroffen, von denen 77% laut den Befragungsergebnissen zumindest zeitweise schließen mussten. Die auferlegten Hygienemaßnahmen führten für mehr als 60% der Restaurants und Hotels zu höheren Betriebskosten, Einschränkungen in den angebotenen Dienstleistungen und geringerer Auslastung sowie rückläufigem Umsatz. Die gesamte Branche litt und leidet noch immer unter dem fast kompletten Ausfall von privaten und öffentlichen Veranstaltungen und Festlichkeiten. Im Vergleich zu Restaurants und Hotels war der Weinfachhandel deutlich weniger stark betroffen, nur 25% der Betriebe mussten schließen und/oder erlitten Umsatzeinbußen. Im Gegenzug berichteten sogar 38% der Weinfachhändler von gestiegenen Umsätzen seit März.
Auswirkungen auf Ökonomie
Hotels und Restaurants sind durch die Schließungen, die Hygienemaßnahmen und den Einbruch des Tourismus am stärksten ökonomisch getroffen worden. Für ungefähr 80% der Betriebe hat sich die ökonomische Lage durch Covid-19 verschlechtert, davon 30% sehr stark. Ausgehend von einem positiven Niveau im Jahr 2019 ist damit die ökonomische Situation von Hotels und Gastronomie drastisch gesunken auf den negativsten Wert aller untersuchten Bereiche der Weinbranche. Im Gegensatz dazu profitiert der Weinfachhandel im Vergleich zu allen anderen Bereichen am deutlichsten, auch wenn die ökonomische Situation gegenüber dem Vorjahr rückläufig ist. Der Großhandel und die Importeure liegen mit einem deutlichen Rückgang zwischen beiden Extremen, befinden sich aber weitestgehend in einer zufriedenstellenden ökonomischen Lage.
Marketing und Absatzkanäle
Der Absatz an Direktkunden konnte von 44% der Weinproduzenten gesteigert werden – konkret durch Sonderangebote mit Preisnachlässen (46%) und eine stärkere Kundenaktivierung via Newsletter (40%). Jeder vierte Weinproduzent versuchte von den Absatzsteigerungen im Lebensmittelhandel und Onlinehandel zu profitieren, indem er dort neue Listungen aushandelte.
Auswirkungen auf Konsumverhalten
Die erwarteten negativen ökonomischen Auswirkungen der Covid-19-Krise werden in Zukunft auch das verfügbare Einkommen der Verbraucher belasten. Der Weinhandel erwartet deshalb für die Zukunft eher preissensiblere Weinkäufer, hofft jedoch gleichzeitig auf einen Anstieg der Nachfrage nach regionalen und nachhaltig produzierten Weinen. Für die Gastronomie und Hotellerie erwarten die Experten übereinstimmend eine langsame Erholung. Die Mehrzahl erwartet auch nach der Krise weitere Zurückhaltung und Vorsicht der Touristen und nur jeder Dritte hofft auf einen schnellen und starken Anstieg. Für Hotels, Gastronomen und deren Weinzulieferer ist deshalb noch hohes Durchhaltevermögen notwendig, um diese Phase zu überbrücken und wirtschaftlich zu überleben. Jeder dritte Experte ist optimistisch und erwartet nach Covid-19 eine vollständige Erholung des Weinabsatzes in der Gastronomie mit ihren Chancen für neue innovative Unternehmenskonzepte bietet.