Im Auftrag der ProWein hat die Hochschule Geisenheim Mitte 2019 zum dritten Mal mehr als 1.700 Experten der Weinbranche aus 45 Ländern zu internationalen Weinmärkten, Vermarktungstrends und der wirtschaftlichen Lage befragt. Im Fokus der diesjährigen Befragung stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Weinbranche.
Die Studie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von Wein. Zu den Befragten gehörten sowohl Weinproduzenten (Weingüter, Kellereien, Genossenschaften) als auch Zwischenhändler (Exporteure und Importeure) und Vermarkter (Großhändler, Fachhändler, Hotels und Gastronomen).
DIE WICHTIGSTEN FAKTEN
Große Herausforderungen
Kurzfristig sehen die Unternehmen die Auswirkungen der restriktiven Gesundheitspolitik mit teilweise hohen Steuersätzen und Mindestpreisen auf Wein und Alkohol als stärkste Herausforderung der Weinbranche. Die Eintrübung der globalen wirtschaftlichen Lage und zunehmende Handelshemmnisse werden als zweitstärkste Herausforderung eingestuft. Die Auswirkungen eines unregulierten Brexit sowie der Wettbewerb mit anderen alkoholischen Getränken und der deregulierte Verkauf von Cannabis werden als vergleichsweise gering angesehen.
Auswirkungen auf Wertschöpfungskette
Das Ausmaß, mit dem sich der Klimawandel in den letzten fünf Jahren bei den Unternehmen bemerkbar gemacht hat, unterscheidet sich je nach Position in der Wertschöpfungskette. Bereits neun von zehn Weinproduzenten haben die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen, bei den Händlern waren es dagegen nur sechs von zehn. Die am stärksten betroffenen Weinproduzenten können den Auswirkungen des Klimawandels durch die ökonomische Bindung an ihrenen Grund und Boden meist am wenigsten ausweichen.
Auswirkungen auf Erträge
In den vergangenen fünf Jahren waren die stärksten Auswirkungen im Bereich des Weinbaus zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte der Traubenproduzenten hatte geringere Erträge durch Extremwettereignisse wie Spätfrost, Starkregen, Hagel oder Trockenstress der Reben. Durch diese Extremereignisse hat sich die Volatilität der Erntemengen stark erhöht; gleichzeitig hat diese Volatilität zu starken Preisschwankungen am Rohwarenmarkt geführt. Durch bestehende Ertragsregulierungen können Minderernten eines Jahres nur begrenzt durch höhere Folgeernten ausgeglichen werden. Fast jeder zweite Traubenproduzent musste seine Unternehmensprozesse bereits durch verkürzte Zeitfenster der Ernte umstellen und größere Annahmekapazitäten schaffen.
Verfügbarkeit, Preise und Qualität
Über die letzten fünf Jahr gab es wirtschaftliche Gewinner (23%) und Verlierer (35%) des Klimawandels. Für die nächsten zehn Jahre erwarten vor allem Genossenschaften (53%) und Kellereien (44%) einen starken oder sehr starken Rückgang ihrer Wirtschaftlichkeit bedingt durch den Klimawandel. Ein Rückgang der Profitabilität verhindert die Fähigkeit, durch Investitionen die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu erhöhen. Für die Zukunft erwarten vor allem Händler und Exporteure eine starke Zunahme in der Volatilität der Preise und Verfügbarkeit von Wein, die bisher teilweise von den Kellereien ausgeglichen wurde. Bis 2030 gehen die Hälfte bis zwei Drittel der Akteure von steigenden Risiken aus, die sich in neuen Kooperationsformen mit den Produzenten aber auch in geringerer Profitabilität äußern wird.
Auswirkungen auf Konsumverhalten
Händler beobachten bereits jetzt Änderungen im Konsumverhalten der Verbraucher durch den Klimawandel. So sinkt in heißen Sommern der Weinkonsum, und die Nachfrage nach schweren Rotweinen geht zurück. Auch für die Zukunft erwarten Händler eine steigende Nachfrage nach anderen Weinen (63%) und nach anderen Getränken (47%). Damit liegt genau eine gegensätzliche Entwicklung zwischen Produktion und Nachfrage vor. Der Klimawandel führt zur Produktion von schwereren, alkoholreicheren Weinen und bringt gleichzeitig die Konsumenten dazu, vermehrt leichtere und erfrischendere Weine nachzufragen. Mehr als die Hälfte der Händler (57%) fordern deshalb, dass Produzenten neue önologische Verfahren anwenden sollten, um trotz Klimawandel die bestehenden Weinprofile herstellen zu können.
Bedeutung von Nachhaltigkeit
Stärkere Nachhaltigkeit der Weinbranche erhält fast einstimmige Zustimmung
86% der Akteure stimmen zu, dass sich die Weinbranche stärker auf nachhaltige Produktion konzentrieren sollte. Die Zustimmung ist bei Händlern in Skandinavien (96%) und Südeuropa (93%) am höchsten. Drei Viertel sehen einen notwendigen Beitrag der Weinbranche in der Verringerung ihres CO2-Fußabdruckes. Die Zustimmung dafür ist am höchsten in Italien (81%) und am geringsten in Deutschland (65%).