In Kooperation mit der Hochschule Geisenheim hat die ProWein fast 1.500 Experten der Weinbranche aus 46 Ländern zu internationalen Weinmärkten, Vermarktungstrends und der Entwicklung von Absatzkanälen von Wein befragt. Zu den Befragten gehörten sowohl Weinproduzenten (Weingüter, Kellereien, Genossenschaften) als auch Vermarkter (Fachhändler, Großhändler, Importeure/Exporteure, Hotels und Gastronomen). Die Kombination der verschiedenen Sichtweisen der Produzenten auf der einen Seite und der Vermarkter auf der anderen Seite stellt ein einzigartiges Meinungsbarometer für die Branche dar.
- Wie nimmt die Branche ihre ökonomische Situation wahr?
An der Befragung haben vor allem Branchenführer teilgenommen. Diese schätzen ihre gegenwärtige und zukünftige ökonomische Situation als zufriedenstellend bis gut ein. Es ist interessant zu beobachten, dass Weinproduzenten generell optimistischer in die Zukunft blicken als Weinvermarkter, die in direktem Kontakt mit dem Endverbraucher stehen. Während exportorientierte Produzenten ihr Glück auf neuen Exportmärkten versuchen können, haben die Vermarkter weniger Möglichkeit, den strukturellen Veränderungen des Weinabsatzes und dem zunehmenden Wettbewerb auf ihren Heimatmärkten zu entkommen.
Auf der Produzentenseite schauen selbständige Winzer optimistischer in die Zukunft als Genossenschaften und Kellereien, die sich in einem starken Konzentrationsprozess befinden.
Internationale und deutsche Weinfachhändler sind am wenigsten zufrieden und schauen weniger optimistisch in die Zukunft als andere Vermarkter. Dies ist vor allem Ausdruck eines anhaltenden Strukturwandels bei den Absatzkanälen von Wein, bei dem der Lebensmittelhandel und Onlinekanäle international an Bedeutung zunehmen.
In den Ergebnissen spiegeln sich auch deutliche Mentalitätsunterschiede zwischen den Herkunftsändern wider. Deutsche Weinproduzenten und Vermarkter schauen generell negativer in die Zukunft, während vor allem Produzenten aus Spanien und Italien sehr positive Zukunftserwartungen haben. Neben realen ökonomischen Gründen kommen in diesen Erwartungsunterschieden sicher auch die „deutsche Angst“ und der „Optimismus des Südens“ zum Ausdruck.
- Welche Weinmärkte sind heute und in Zukunft attraktiv für Weinproduzenten?
Die befragten Produzenten zählen mehr als 40 Märkte zu ihren Top-5 Absatzmärkten. Davon werden Deutschland, USA, Großbritannien, Belgien und die Schweiz am häufigsten als wichtigste Absatzländer genannt. Als ökonomisch derzeit attraktivste Absatzmärkte schätzen die Produzenten Hong Kong, die Schweiz, Südkorea und die skandinavischen Länder ein. Italien, Frankreich, Großbritannien, Russland und Brasilien werden derzeit aus Sicht der Weinproduzenten weniger attraktiv wahrgenommen.
Für welche Absatzmärkte erwarten die Produzenten die stärkste Verbesserung der Attraktivität? Hier werden vor allem Russland, Hong Kong, Polen, Südkorea, Brasilien und China genannt. In diesen Einschätzungen kommt klar zum Ausdruck, dass Exportmärkte außerhalb der traditionellen europäischen Weinländer in Zukunft von hoher Bedeutung für die Weinproduzenten werden. Neben der geografischen Entfernung müssen die Produzenten auch die kulturelle Distanz zu Ländern überwinden, die traditionell keinen oder wenig Wein konsumieren und deren Vermarktungsstruktur sich oft grundlegend von bisherigen Märkten unterscheidet.
Die geringsten Verbesserungen werden für Großbritannien, Frankreich, Österreich, Italien und Belgien erwartet. In Frankreich und Italien ist der Pro-Kopf Weinkonsum nach wie vor leicht rückläufig und in beiden Märkten wird vorwiegend einheimischer Wein getrunken, wodurch sich bisher für Weinexporteure wenige Absatzoptionen ergeben haben. Der bevorstehende Brexit und die stetig ansteigende Weinsteuer sind in Großbritannien Hauptgründe für die sehr geringe Attraktivität aus Sicht der Weinproduzenten.
Veränderungen in der Zukunft gehen immer mit einem Risiko einher. Das höchste Risiko der Marktentwicklung sehen Produzenten für Russland, Brasilien, China, Großbritannien und Hong Kong. Der wachsende Weinkonsum, der für die asiatischen und südamerikanischen Märkte erwartet wird, ist mit einer Reihe von Unsicherheiten verbunden. Neben möglichen Handelsrestriktionen (Russland) und der abweichenden Vertriebsstruktur im Land spielt vor allem die Unsicherheit der ökonomischen und rechtlichen Entwicklung der nächsten Jahre eine Rolle. Für Großbritannien besteht das Risiko vor allem in der Frage, ob und wie Weinimporte nach dem Brexit mit Einfuhrzöllen belegt werden und welche Herkunftsländer Handelsabkommen mit Großbritannien abschließen werden.
Die derzeitige und zukünftige Attraktivität eines Marktes wurden in Form eines Marktbarometers zusammengefast. Aus der Gegenüberstellung des Marktbarometers und des Risikos lassen sich vier verschiedene Markttypen ableiten (siehe Abbildung). Zu den Märkten mit hoher Attraktivität und geringem Risiko gehören im unteren rechten Feld Polen, Australien, Japan, Kanada und die skandinavischen Länder. Dies sind Länder, wo der Weinkonsum in letzter Zeit angestiegen ist oder wo mit den Monopolen eine übersichtliche lokale Handelsstruktur vorliegt. Hohe Attraktivität bei gleichzeitig hohem Risiko gilt für Russland, Brasilien, China und Hong Kong im oberen rechten Feld. Märkte mit eher geringer Attraktivität und hohem Risiko sind Großbritannien und Italien.
- Welche neuen Exportmärkte wollen Unternehmen bis 2020 erschließen?
Neun von zehn der führenden internationalen Weinproduzenten planen ihre Exporte bis 2020 auf neue Weinmärkte auszudehnen. Dieser Anteil liegt bei den Weinexporteuren der großen europäischen Produktionsländer Italien, Spanien und Frankreich fast bei 100% und beträgt im exportschwächeren Deutschland 55%.
Am häufigsten genannte Länder, auf die Produzenten ihren Export ausweiten wollen, sind die USA, Deutschland, Großbritannien und China (siehe Abbildung). Relativ gesehen zur derzeitig eher geringen Bedeutung werden vor allem China, Hong Kong, Russland, Japan, Australien, Südkorea und Brasilien überproportional häufig als neue Exportdestinationen genannt. Diese geografisch und kulturell fernen Märkte in Asien und Ozeanien erfolgreich zu bearbeiten stellt für die europäischen Weinproduzenten eine große Herausforderung für die nächsten Jahre dar.
- Welche Weinherkünfte sind von Vermarktern gefragt?
Zwei von drei internationalen Vermarktern, die die ProWein besuchen, wollen neue Weinherkünfte in ihr Produktangebot aufnehmen. Bei deutschen Vermarktern ist es nur einer von drei. Dies liegt unter anderem daran, dass das Weinangebot in Deutschland bereits ausgesprochen international ist.
Internationale Vermarkter sind am stärksten interessiert, Weine aus Deutschland, Spanien, Italien, Portugal und Frankreich neu in ihr Portfolio aufzunehmen (siehe Abbildung). Deutsche Vermarkter zeigen dagegen das größte Interesse an den Herkunftsländern Österreich, Portugal, Italien und Deutschland, gefolgt von Frankreich, Spanien und Südafrika. Überraschend ist hier, das Österreich und Portugal erste Plätze belegen, was Ausdruck eines neuen Markttrends sein kann. Das Interesse an Italien, Frankreich und Spanien ist weniger erstaunlich, da dies die Hauptimportländer auf dem deutschen Weinmarkt sind.
- Welche sind Beschaffungs- und Vermarktungskanäle der Zukunft?
Für die Beschaffungswege der Vermarkter gibt es einen eindeutigen Trend zur Verkürzung des Bezugsweges von Wein. Vermarkter streben deutlich an, ihren Wein verstärkt direkt vom Weingut oder in geringerem Maße direkt von der Kellerei zu beziehen (siehe Abbildung). Dagegen wird der Bezug über Absatzmittler (Importeure, Distributeure, Großhändler oder Weinagenten) aus Sicht der Vermarkter bis 2020 deutlich abnehmen. Für die Absatzmittler brechen somit schwierigere Zeiten an, die sich bereits teilweise in ihren etwas weniger optimistischen Zukunftsaussichten andeuten. Auf die Weingüter kommen dagegen neue Herausforderungen zu, die zunehmenden direkten Anfragen der Vermarkter administrativ und logistisch zu bewältigen.
Über welche Absatzwege wird Wein in Zukunft an den Endverbraucher gelangen? Für Deutschland schätzen Produzenten, die dort ihren Hauptabsatzmarkt haben, derzeit den Fachhandel, die Gastronomie und den Ab-Hof Verkauf als wichtigste Absatzkanäle ein. Für die Zukunft wird ausgehend von geringer Basis eine starke Zunahme der Onlineverkäufe über eigene Webshops der Weingüter und externe Onlinehändler als der Lebensmittelhändler erwartet. Für den Weinfachhandel wird dagegen ein weiterer stärkerer Rückgang erwartet, der für die Gastronomie weniger stark ausfällt (siehe Abbildung).
Auch in den USA sind ganz ähnliche Trends der Zunahme des Weinabsatzes Online und über den Lebensmittelhandel und ein Rückgang des Fachhandels. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Ab-Hof Absatz der Weingüter als stabil eingeschätzt wird, steigt dieser Erwartungen nach in den USA stark an. Diese besondere Entwicklung ist Ausdruck von zwei aktuellen Trends in den USA: die Zahl der Weingüter wächst momentan jährlich mit 4% und der „direct-to-consumer“ Versand der Winzer an Endverbraucher boomt mit zweistelligen Zuwachsraten.
- Wie wird Wein in Zukunft erfolgreich vermarktet?
In der Weinwelt ist ein Wettbewerb der Vermarktung über die Herkunft (auch Terroir) oder die Marke entbrannt. Wer wird hier für die Zukunft als Gewinner gesehen? Sowohl die Vermarkter als auch die Produzenten stimmen in der Mehrheit überein, dass Wein in Zukunft am erfolgreichsten über seine Herkunft vermarktet werden kann.
Aus Sicht der Produzenten ist die Bedeutung der Marke überraschenderweise in Zukunft größer als für die Vermarkter. Zwischen den Weinproduzenten gibt es starke Unterschiede. Zum einen setzen die romanischen Länder Frankreich, Italien und Spanien traditionell viel stärker auf die Herkunft, während in Deutschland die Persönlichkeit des Winzers eine größere Rolle spielt. Zum anderen ist nicht überraschend, dass Winzer bei der Vermarktung stärker auf die Persönlichkeit setzen als Genossenschaften oder Kellereien.
Fazit
Als Fazit kann gezogen werden, dass die Weinbranche vor Veränderungen steht, die sich auch in den unterschiedlichen Zukunftsaussichten der verschiedenen Marktteilnehmer zeigt. Produzenten zieht es zunehmend auf neue ferne Weinmärkte und Vermarkter stehen vor einem Strukturwandel beim Absatz von Wein, bei dem vor allem der Absatz über traditionelle Weinhändler weiter abnehmen wird. Einkauf von Wein im Lebenshandel und online werden dagegen weiter zunehmen. Der Weinhandel zwischen den Produzenten und Vermarktern wird sich wandeln und Lieferketten werden sich weiter verkürzen, da Wein zunehmend direkt beim Produzenten bestellt wird. Es bleibt interessant, wie sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzt.
Die Studie wurde im Auftrag der ProWein vom Institut für Betriebswirtschaft und Marktforschung der Hochschule Geisenheim unter Leitung von Prof. Dr. Simone Loose sowie Heinz Küsters, Director Market Research der Messe Düsseldorf, und ihren Teams ausgeführt. ProWein und die Hochschule Geisenheim freuen sich darauf, den ProWein Business Report auch in den kommenden Jahren erfolgreich weiterzuführen. Damit besteht die Möglichkeit zu überprüfen, ob sich die derzeitigen Erwartungen in Zukunft auch einstellen werden und welche derzeit noch unerwarteten Änderungen eintreten werden. Zusätzlich zu einer längerfristigen Zeitreihe eines internationalen Marktbarometers werden jährlich interessante Sonderthemen in die Befragungen aufgenommen. Wir bedanken uns bei den Teilnehmern der Befragung und hoffen auch weiterhin auf rege Beteiligung der Produzenten und Vermarkter von Wein.
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